Projektmanagement

Projektmanagement

Vorwort: Der Beitrag zum Thema Projektmanagement ist nicht so recht geeignet für Poetry - die Persiflage musste trotzdem raus. Deswegen an dieser Stelle ein paar Projektmanagement-Tipps für alle CEO's dieser Welt.
Ein CEO hat es schwer - Projektmanagement als betriebsgefährdendes Risiko

Sie sind CEO? Sie sind CEO eines etablierten Unternehmens nennenswerter Größe?
Die Geschäfte laufen stabil und der Grundsatz “never change an running system” ist ein Garant ihres Erfolges? Dann haben Sie kein Problem.
Sie sind CEO eines etablierten Unternehmens nennenswerter Größe mit stabilem Geschäftsmodell, haben aber einen neuen jung-dynamischen Aufsichtsratsvorsitzenden, der auf einem Manager-Seminar die Begriffe “Change Management”, “agile Transformation” “Lean-Projektmanagement” und “Scrum-Methode” aufgeschnappt hat und dringend eine Pissmarke im Unternehmen hinterlassen will, weil die schnellen die langsamen fressen, weil Stillstand Rückgang ist und weil, ja weil er sonst ja überflüssig wäre? Dann haben sie ein echtes Problem!
Sie stehen nun vor der Aufgabe operative Hektik verbreiten zu müssen, jedoch ohne tatsächliche Effekte zu erzielen. Kurz: Es soll so bleiben wie es ist, damit das Unternehmen nicht gegen die Wand fährt. Destruktives Projektmanagement könnte jetzt eine Methode der Wahl sein. Einen irrealen Zeitplan aufzustellen, die Projektressourcen suizidal zu verknappen, das Projektziel ins Gegenteil zu verkehren, oder - ganz banal - das vom Aufsichtsrat erwartete epochale Organisationsentwicklungs-Projekt einzustellen wäre jedoch zu durchsichtig. Sie brauchen deshalb “FDP” = “Fieses Destruktives Projektmanagement”. FDP ist so komplex, aufgebläht und pseudostrukturiert, dass es seine diabolisch lähmende Wirkung nur im Zusammenspiel aller Einzelteile entwickelt:

Die Projektampel
Die Projektampel ist das ultimative Führungsinstrument. Als CEO sollte Sie sich nur dafür interessieren was die Ampel anzeigt. Als Herrscher aller Reußen braucht Sie es nun wirklich nicht interessieren was Schütze A… im Projekt macht, entscheidend ist doch immer was hinten rauskommt. Grün = gut so, weitermachen, Gelb = Vorsicht, junger Freund!, Rot = stehen sie bequem, der Anschiss dauert länger! Als CEO brauchen Sie ein Ampeltool, dass ihnen one-page-only in drei Farben den Output in einem Projektcockpit darstellt. Was juckt es Sie wie der Input zustande kommt? Wenn das auch die Idioten, die bei der Suche nach Projektleitern nicht schnell genug eine Krankmeldung vorlegen konnten, begriffen haben, sind alle Ampeln immer grün - versprochen! Merke: Es gibt kein Controlling-Tool, dass nicht manipuliert werden will, vor allem dann nicht, wenn die Projektleiter selber Ziele und Timelines bestimmen und einpflegen können. Und mit der Ampel haben Sie ein Tool das sogar der Aufsichtsrat versteht und goutiert.

Das Tool-Multiversum
Die Einführung eines Ampel-Projektcontrolling-Tools verhindert allein noch nicht, dass alle den Durchblick verlieren. Womöglich gibt es irgendwelche Projektstreber, die mit großer Stringenz, Ehrlichkeit und Akribie ihre Projekte dort dokumentieren. Hier kann nur die parallele Installation verschiedener Tools Abhilfe schaffen. Neben dem besagten mechanistisch funktionierenden Ampel-Tool sollten Sie auf jeden Fall eine Plattform für das kollaborative arbeiten implementieren lassen. Zusätzlich noch ein Chat-System, das selbstverständlich keine Schnittstelle zu anderen Applikationen hat. Die Kommunikation per Mail bleibt davon unberührt, ebenso die WhatsApp-Nachrichten über private Rufnummern, mit denen die ein oder andere “hidden Agenda” verfolgt werden kann. Das Projekt-Tool-Bermudadreieck wird komplettiert durch jenes sündhaft teure Projektmanagement-System, dass die Firma eh schon immer nutzt, bspw. MS Project. Da sich aber keiner so richtig mit den Tools auskennt - Schulungen sind ja so teuer - wird für die wirklich wichtigen Listen auf Excel zurückgegriffen - das kann schließlich jeder. Die Excel- Daten werden auf einem internen Serverlaufwerk abgelegt, von dem keiner weiß wie da eigentlich die Berechtigungsstrukturen sind und vor allem wer diese steuert. In diesem Zustand hat garantiert niemand mehr den vollen Durchblick. Als eine Art Transparenz-Firewall empfehlen sich noch Dateiversionen, die nicht ausreichend aufwärts- oder abwärtskompatibel sind und - nicht zu vergessen: Der Einsatz von unbezahlten Projektpraktikanten, die in Ermangelung notwendiger Berechtigungen für die oben genannten Tools eine Freeware in der Cloud benutzen und die ihnen zugedachten Aufgaben auf einem Server erledigen, der vermutlich nicht den Regularien der EU Datenschutzgrundverordnung unterliegt. Fertig ist das Tool-Multiversum!

Sei schlau - mach Stau!
Wie uns die Verkehrsforschung lehrt, verursachen zu viele Verkehrsteilnehmer (und *innen!) und unterschiedliche Geschwindigkeiten schnell einen Stau. Bevor Sie also die Projekt-Ampel eingeführt und das Tool-Multiversum geschaffen haben sollten Sie daran denken bei komplexen Change- und OE-Projekten Teilprojekte zeitversetzt auf die Schiene zu bringen. Das bringt für die Early-Bird-Projekte einen ungeheuren Zuwachs an Selbstbewusstsein sowie vermeintlicher Wertschätzung und ermöglicht freie Projektfahrt von der Pole Position weg. Die Lame Ducks, die Hinkefüße, die Abteilungen aus dem Souterrain ihres nunmehr ach so agilen Unternehmens merken endlich wo sie in der Hackordnung stehen: Unten! Das treibt nicht nur einen nützlichen atmosphärischen Keil in die gesamte Projekttruppe, sondern führt auch zu einem kapitalen Projektkolbenfresser. Während die einen auf der Projektüberholspur einen Maßnahmen-Blitzkrieg führen ziehen die anderen erstmal die Handbremse und werfen Grundsatzfragen auf. Da knirscht es garantiert im Getriebe. Ein konstruktives PMO würde daran denken die Teilprojekte zu synchronisieren, doch es geht hier ja um das destabilisierende Element des FDP, das zusätzlich durch ein geschicktes Lean-Management bei der Top-Down-Berichterstattung akzentuiert wird und damit präventiv einer Projektsynchronisation vorbeugt. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Lean-Berichterstattung (formerly known as: viel reden aber nichts sagen) 
Als CEO haben sie BWL oder Jura studiert, im schlimmsten Fall vorher noch eine Lehre gemacht, die Karrierleiter in der eigenen Firma erklommen und kennen die Branche aus dem Effeff. Das disqualifiziert Sie kommunikative Nebelkerzen in Form von Newslettern unter das Firmenvolk zu werfen. Fakten und Insiderwissen sind der Tod jeder fiesen destruktiven Projektberichterstattung. Überlassen Sie das ihren Experten aus der Unternehmenskommunikation, die irgendwas mit Medien studiert haben. Während ihnen die Spät-86er aus der Abteilung einen nichtssagenden Text hinschwurbeln generieren die Digital Natives der Abteilung elektronische Formate daraus, die in Nano-Sekunden sämtliche internen und externen Social-Media-Kanäle verstopfen. Dieser Informations-Tsunami - ohne echte Informationen - hat mehrere positive Effekte: Erstens sind Sie als CEO omnipräsent, zweitens fühlen sich alle informiert (es kommt auf die Form an - nicht auf den Inhalt), drittens weiß niemand wer die Projektleiter der Einzelprojekte sind und viertens glaubt der Aufsichtsrat alles was in den Newslettern steht und ist beeindruckt von der Innovationskraft des Transformationsprozesses, den New-Leadership-Methoden und dem Human centered Agility-Ansatz - was immer das sein mag.

Komplexität reduzieren.
Das kommt immer gut an: Komplexität reduzieren! Handeln Sie nach der Einstein´schen Devise: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen“, aber ignorieren Sie den zweiten Teil des Zitates: „Aber nicht noch einfacher“. Übersetzt bedeutet dies, dass sämtliche 37 Teilprojekte in ihrem eigenen Saft schmoren lassen und Schnittstellenaktivitäten konsequent unterbinden. Die Teilprojekte würden ja auch den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, wenn man merkt, dass die Aktivitäten von Human Ressources irgendwie doch Auswirkungen auf die innerbetriebliche Fortbildung haben und deren Qualifizierungsoffensive die Mitarbeiter aus dem Vertrieb abzieht, weswegen die Markteinführung ihres neues Blockbusterproduktes hinkt.
Wenn jeder nur seinen eigenes Pflänzchen giesst ist es doch viel übersichtlicher. Die einzigen, die den Braten der fehlenden Vernetzung riechen werden sind die Nerds aus der chronisch unterfinanzierten IT, denn jedes Projekt braucht immer irgendwelche IT Ressourcen und Software und deswegen laufen im Ticketsystem der IT die Anfragen aus den Projekten auf wie bei Alibaba die Bestellungen am Black Friday. Um die Jungs abzulenken lassen Sie eine neue High-End-Telekommunikationsanlage planen, installieren und konfigurieren. Damit ist die Abteilung monatelang absorbiert. Ihr Unternehmen wird zwar über Wochen telefonisch nicht mehr erreichbar sein, aber als Fall-Back Strategie haben sie schon vorausschauend dutzende Pre-Paid-Handy eines Discounters gekauft. Damit ist nicht nur der Misserfolg des Großprojektes weiter garantiert – nein – die Notfallhandys waren ja ihre Idee und und sie können sich als agiler Krisenmanager gerieren. Der Aufsichtsrat wird es danken.  

Bullshit-Castle
Irgendwann kommt in jedem komplexen Projekt die Frage auf, ob nicht externe Expertise den - im Falle des FDP gewollten - gordischen Projekt-Knoten durchschlagen könnte. Als listiger CEO verordnen nicht SIE diese bittere Medizin ihrem monumentalen Projekt, sondern der Aufsichtsrat höchstselbst wirft diesen vermeintlichen Rettungsanker. Der Zufall wollte es, dass der Aufsichtsrat beim letzten Golfurlaub auf Sardinien einen befreundeten Wirtschaftsprüfer mit Handycap 5 an Loch 6 mit einem 7er Eisen in der Hand beim 8. Versuch die Kugel bei einem Par-3-Loch aus dem Bunker zu dreschen, traf. Der Zufall wollte es ebenso, dass dessen Unternehmen auch eines Beratungssparte und - was für ein Zufall - eine ausgewiesene Branchenkompetenz für ihr Business hat. Die Berater errichten danach ein Hauptquartier in ihrem Unternehmen - nach zwei Tagen durch die Projektleiter intern “Bullshit Castle” genannt - und produzieren in atemberaubender Geschwindigkeit Power-Point-Folien, gegen dessen Animationen der neueste Stop-Motion-Film von Disney daherkommt wie ein Daumenkino aus Opas Zeiten. In ebenso atemberaubender Geschwindigkeit werden nun Mann-Tage verbraucht, die - diesmal nicht ganz ohne Zufall - nur 6 Zeitstunden umfassen, aber dafür dem mittleren Monatslohn der gewerblichen Mitarbeiter ihres Unternehmens entsprechen - aber was investiert man nicht alles für den Erhalt der Firma.

Projekt-Risikomanagement Level 1: Der Datenschutz
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass aus den Tiefen des schwarzen Projekt-Loches, trotz des nimmermüden Einsatzes der Berater, doch noch eine Entscheidungsvorlage auf ihren Schreibtisch gespuckt wird: Bringen Sie den Datenschutz ins Spiel. Erstens reißen sie dem Projektleiter verbal den Kopf ab, weil der vergessen hat den Datenschutzbeauftragten aufzuwecken und einzubeziehen. Zweitens können Sie sicher sein, dass in jedem Projekt auch personenbezogene Daten verarbeitet werden, und seien es nur die Outlook-Kalendereinträge oder die Teilnehmerlisten in den Sitzungsprotokollen. Drittens wird der Datenschutzbeauftragte seine Daseinsberechtigung damit dokumentieren, dass er eine aufwendige Datenschutzfolgeabschätzung durchführt und anschließend zu dem Ergebnis kommt: SO GEHT DAS ALLES GAR NICHT! Sie – und nur sie – sind damit der Mann der die Compliance ernst nimmt. Für die Großtat den Datenschutz nicht ignoriert zu haben wird ihnen, in Ermangelung anderer Kandidaten, der Fair-Play-Preis irgendeiner Vereinigung von Datenschützern verliehen und Sie können ihr Publikationsverzeichnis um den Beitrag “Rechtssicherheit in der modernen Unternehmensführung” erweitern, der in der Gazette eben jenes Verbandes erscheinen darf. Der Aufsichtsrat ist etwas gespalten: “Man kann das mit der Compliance auch übertreiben”. 

Projekt-Risikomanagement Level 2: Die Personalvertretung
Wenn besagte Entscheidungsvorlage durch den Datenschutz nur angeschossen wurde, aber noch nicht tot ist, setzten sie zum finalen Rettungsschuss an. Nachdem der Verantwortliche für die Entscheidungsvorlage dem Datenschutzbeauftragten doch noch ein gequältes „Ja“ abringen konnte und stolz wie Oskar eine vermeintlich finale Projektpräsentation abgeliefert hat, bedanken Sie sich artig und bitten – im rausgehen – noch um die Nachlieferung der Stellungnahme durch die Personalvertretung – nur der Form halber – wegen der Mitbestimmung – is ja klar. 
Der grauen Projekt-Maus mit dem schwindelerregend langen Doppelnamen aus dem Betriebsrat, die in den vergangenen Monaten nicht einen einzigen protokollrelevanten Beitrag abgesondert hat, wird schlagartig klar, dass in diesem Teilprojekt mit viel Fantasie mitbestimmungspflichtige Tatbestände eventuell nicht ausreichend an den Haaren herbeigezogen wurden. Wenige Stunden später wird ein wütender Brief, gedrechselt formuliert durch den Rechtsbeistand der Personalvertretung und kraftvoll unterschrieben von allen Mitgliedern des 15-köpfigen Kollektiv-Organes, auf den Tisch ihrer Sekretärin geknallt. Die wird ihnen nach einem müden Blick auf das Dokument durch die halbgeöffnete Tür lapidar mitteilen, dass alles läuft wie geplant. Der Aufsichtsrat hat vollstes Verständnis dafür, dass Sie die Reißleine in diesem Teilprojekt ziehen – gegen das Betriebsverfassungsgesetz und die Zivilversager aus dem Personalrat kann man halt nicht viel machen.
 
Die Exit-Strategie
Die Wurst hat zwei Enden, ein Projekt sollte zumindest eines haben. Als CEO sind sie in der luxuriösen Situation entscheiden zu können, in welcher Tonart der Abgesang auf das Projekt gespielt wird. Soll es eher Moll sein? Dann lassen sie das Gesamtprojekt einfach vor sich hin dümpeln, die hausinterne Berichterstattung schläft langsam ein, der Aufsichtsrat hat längst ein anderes Lieblingsthema wie bspw. Shareholder Value gefunden und irgendwann wird nur am Mittagstisch der unteren Etagen gelegentlich die Frage aufkommen: Da war doch mal was? Soll es doch eher Dur und fortissimo sein? Dann feiern Sie den Abschluss des Projektes im Rahmen des Firmenjubiläums ab wie Kim Jong Un den Abschuss einer MIttelstreckenrakete am amerikanischen Independence Day und niemand wird den Erfolg in Frage stellen. Die verbliebenen Projektlakaien würden ja zugeben, dass sie es nicht auf die Reihe gekriegt haben, die Unternehmensberatung produziert ihnen Charts, die den Erfolg in beeindruckenden Key-Performance-Indicators dokumentieren und sich jeder Kritik mit dem Mantra “wir beraten nur und sind nicht für die Umsetzung verantwortlich” entzieht. Der Aufsichtsrat würde das scheitern niemals eingestehen - er hat ja die Unternehmensberatung eingesetzt. 

Epilog
Nachdem der ganze Spuk vorbei ist und ihr Unternehmen wieder ungestört und erfolgreich das Kerngeschäft betreiben kann lädt man Sie als Benchmark für ein gelungenes Multi-Projektmanagement zu einer Reihe von Vorträgen im In- und Ausland ein. Und das ist der Zeitpunkt an dem ihre Strategie wirklich Früchte trägt: Die Branche wird ernsthaft den Versuch machen ihrem Benchmark zu folgen - und zerlegt sich selbst!

Share by: